Langzeitarchivierung und Retrieval (LOTAR)

Aufgabenstellung und Zielsetzung

Flugzeuge haben sehr lange Lebenszyklen. Zwischen dem ersten Entwurf für ein neues Programm und dem Lebensende des letzten ausgelieferten Exemplars können 80 Jahre liegen. Während des gesamten Produktlebenszyklus müssen die für Archivierung und Wiederabruf definierten Daten in einem standardisierten Format zur Verfügung gestellt werden, welches unabhängig von Änderungen an der ursprünglichen IT-Umgebung gelesen und wiederverwendet werden kann. Das sicherzustellen ist Ziel von LOTAR.

LOTAR ist ein Projekt, das unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von AIA, ASD-Stan, AFNeT, PDES, Inc. und prostep ivip Verein steht. Es hat die Entwicklung, Umsetzung, Erprobung, Pilotierung, Veröffentlichung und Pflege von Standards für die langfristige Archivierung und den Abruf digitaler Produkt- und technischer Informationen zum Ziel. Dazu zählen u.a. CAD- und PDM-Daten, Verbundwerkstoffe, Kabelbäume, MBSE-Artefakte und CAE-Simulationsdaten. Die mehrteilige Norm beschreibt sowohl den Informationsinhalt als auch die Prozesse für Aufnahme, Speicherung, Verwaltung und Informationszugriff. Die Dokumente werden als Teile der Normenreihe EN/NAS-9300 veröffentlicht.

Schwerpunkte und konkrete Ergebnisse

Grundlagen und Prozesse:

Fundament von LOTAR bilden die Grundlagen und allgemeinen Prozesse. Sie basieren auf dem ISO 14721 OAIS-Referenzmodell, und ergänzen dies um die Anforderungen der Luft- und Raumfahrtindustrie. Um dem wachsenden Umfang des Projekts gerecht zu werden, schrieb die zuständige Arbeitsgruppe im Jahr 2022 die LOTAR-Struktur (Teil 001) um und reichte das neue Dokument zusammen mit der dritten Ausgabe der Begriffe und Verweise (Teil 007) zur Veröffentlichung ein.

3D-Mechanik:

Die Arbeitsgruppe 3D-Mechanik CAD mit Produkt- und Fertigungsinformationen (PMI) überarbeitete die gemeinsamen Konzepte für mechanische 3D-CAD-Informationen (Teil 100), um der Weiterentwicklung der CAD-Methoden und -Systeme in den letzten Jahren Rechnung zu tragen. Gleichzeitig lassen sich die LOTAR-Anforderungen an die Nachverfolgbarkeit während eines Unternehmensaudits dadurch einfacher referenzieren und überprüfen. Zum Thema PMI auf Baugruppenebene basierend auf STEP AP242 XML wurde ein erstes Pilotprojekt gestartet.

PDM:

Die Arbeitsgruppe validierte die STEP-Abbildungen der Produktdaten im Entwurfsstadium („As designed“; Teil 210) und im Planungsstadium ("As Planned"; Teil 230) und bereitete Teil 210 für die Abstimmung zur externen Publikation vor; sie soll im laufenden Jahr erfolgen. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war die Koordinierung der Anforderungen mit anderen Domänen, z. B. CAD und MBSE. Gemeinsam mit dem PDM-IF finalisierte sie die Beschreibung gemeinsamer Anwendungsfälle einschließlich der Beziehungen zwischen Alternativ- und Ersatzteilen, Validierungseigenschaften und PDM-Viewer-Anforderungen.

Verbundwerkstoffe:

Die zuständige Arbeitsgruppe legte PMI-Anforderungen für Verbundwerkstoffe einschließlich begrenzter Längen- und Anwendungsindikatoren (LLAI) fest. Außerdem erörterte sie den Bedarf an Datenstandards zur Unterstützung der Nutzung von Verbundwerkstoffdaten in nachgelagerten Fertigungs- und NC-Prozessen und überprüfte die Anforderungen an AP242 Edition 4.

Elektrischer Kabelbaum:

Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die erforderlichen Daten für die Definition eines Kabelbaums zu ermitteln und zu pflegen. Die Entwurfs- und Analyseprozesse müssen sowohl elektrische (ECAD) als auch mechanische (MCAD) Daten umfassen. Die Gruppe verständigte sich auf eine einheitliche Sichtweise der wesentlichen Informationen eines Kabelbaums und definierte einen Ansatz zur Integration von ECAD und MCAD, wobei das AP242 Domain Model für die Pflege von Design- und Analysedaten genutzt wurde.

MBSE:

Der Tätigkeitsschwerpunkt der Arbeitsgruppe liegt auf der Entwicklung von Standards für die allgemeine MBSE-Archivierung (Teil 500) und für die Archivierung von Simulations-/Analysemodellen (Teil 520). Die Anwendungsfälle für die Archivierung von Simulations-/Analysemodelle wurden auf Basis von Prototypenergebnissen erweitert. Sie beschreiben ein zuverlässiges Verfahren zur Verknüpfung von Anforderungen mit einem Simulationsmodell, einen verbesserten Arbeitsablauf und ein formales Verfahren zur Ermittlung der Validierungskriterien. Die Arbeitsgruppe hat die Ergebnisse mit anderen Konsortien wie prostep ivip Verein, NAFEMS, INCOSE, AFNeT, A&D_PLMAG und OMG abgestimmt.

Organisatorische und technische Herausforderungen

Die Erstellung von Normen für die Langzeitarchivierung erfordert sowohl technisches als auch archivierungsspezifisches Knowhow. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Ressourcen der Mitgliedsunternehmen begrenzt sind und die Experten oft in mehr als einer LOTAR-Arbeitsgruppe tätig sind. Das führte in einigen Arbeitsgruppen zu Verzögerungen, die den Fortschritt verlangsamten. Auf der technischen Seite ergaben sich Herausforderungen dadurch, dass die Entwurfsmethoden, Werkzeuge und Daten für modellbasierte Ansätze oft noch nicht ausgereift sind und die entsprechenden Zielstandards wie AP242 Edition 4 oder
χMCF sich in der Entwicklung befinden.

Die Planungen für das laufende Jahr 2023

Die Planungen sehen vor, neue Versionen der LOTAR Grundlagen und Konzepte (Teil 003) und anderer Prozessteile zu erstellen. Im PMI-Bereich sollen die Teile zu CAD-Geometriedaten mit graphischem und semantischen PMI und zur CAD-Baugruppenstruktur überarbeitet werden. Außerdem wird die Arbeitsgruppe damit beginnen, die Anforderungen für die Archivierung von CAD-Baugruppenstrukturen mit semantischem PMI als Teil 126 zu dokumentieren.

Die PDM-Arbeitsgruppe hat vor, die Diagramme und Prozesscharts für Produktdaten im Planungsstadium "As Planned" zu überprüfen und Teil 230 für die Abstimmung der externen Publikation vorzubereiten. Außerdem will sie vorschlagen, die Technischen Spezifikation für Validierungseigenschaften zu aktualisieren und als LOTAR Teil 205 zu veröffentlichen. Die für Verbundwerkstoffe zuständige Arbeitsgruppe wird die Grundlagen und Konzepte für die Archivierung von Verbundwerkstoff-Entwurfsdaten (Teil 300) fertigstellen und Vorschläge zur Erweiterung der STEP AP242 Edition 4 unterbreiten.

Ziel der Elektrik-Arbeitsgruppe für das laufende Jahr ist es, eine Lösung für die Archivierung elektrischer Konstruktionsdaten und insbesondere für die Archivierung physischer Kabelbäume für Design und Konstruktion (Teil 410) zu veröffentlichen. Die MBSE-Arbeitsgruppe wird die Grundlagen und Konzepte für die MBSE-Langzeitarchivierung (Teil 500) und für die Archivierung analytischer Modelle (Teil 520) veröffentlichen. Außerdem verfolgt sie das Ziel, den Inhalt von MBSE-Archivpaketen sowie den Workflow für Archivierung und Retrieval anhand öffentlich zugänglicher Testmodelle, realer Autorenwerkzeugen und neu entwickelter Werkzeug-Prototypen zu demonstrieren.

Das sagt die Projektkoordination:

„Die Tatsache, dass persönliche Treffen im letzten Jahr wieder möglich waren, hat sich erheblich auf den Fortschritt des LOTAR-Projekts ausgewirkt. Aus Sicht der Projektkoordination besonders erfreulich war der Umstand, dass wir das Verfahren zur Abstimmung von LOTAR-Dokumenten mit AIA und ASD überarbeiten und verbessern konnten. Das wird ihre Veröffentlichung als EN/NAS-Normen deutlich beschleunigen.“

Das sagt die Projektleitung:

“Im laufenden Jahr würden wir gerne die Arbeitsgruppe Engineering Analysis, die sich mit der Archivierung von CAE-Simulationen beschäftigt, wieder beleben. Wir hoffen, dass die Projektpartner die erforderlichen Ressourcen bereitstellen werden. Außerdem möchten wir gerne neue Projektpartner gewinnen, die an Themen wie Elektrik & Elektronik oder Langzeitarchivierung von Embedded Software interessiert sind.“