Die Fluggesellschaften sind nach dem Einbruch der Coronajahre 2020 und 2021 wieder auf einem steilen Wachstumskurs. Erst kürzlich stellte die Lufthansa einige ihrer eingemotteten A380 wieder in Dienst.
Der Bedarf an Flugzeugen ist ungebrochen, der Bau neuer Maschinen boomt auch getrieben durch die stark gestiegenen Treibstoffpreise, denn moderne Maschinen sind sehr energie- und damit auch CO2-effizient. Vorhandene Flugzeuge sollen so effizient wie möglich eingesetzt werden. Dabei helfen historische Daten zum Buchungsverhalten der Passagiere, Betriebsdaten aus dem Flugzeug, aber auch Wetterdaten. Flugrouten werden dann anhand der Wetterdaten optimal geplant und der eingesetzte Flugzeugtyp in Bezug auf die Sitzplätze an die voraussichtlichen Buchungen angepasst.
Predictive Maintenance – also die Wartung auf Basis des Anlagenzustands statt in festen Intervallen – kann es ermöglichen, Wartungsarbeiten flexibel so an den Flugplan anzupassen, dass möglichst wenig Unterbrechungen notwendig sind.
Die Basis für diese Entwicklung sind Daten und Innovation: Um bei den relativ kleinen Stückzahlen in der Flugzeugindustrie Automatisierung in den Produktionsprozess einbringen zu können, braucht es intelligente Lösungen. Und auch die zustandsabhängige Wartung kann nur mit sehr aktuellen Daten aus dem laufenden Betrieb funktionieren: Industrie 4.0 in den Lüften, sozusagen!
Möglichkeiten der Wertschöpfung aus Daten und Prozessautomatisierung in der Luftfahrtindustrie
Datenzentrierte Technologien lassen sich in der Luftfahrt in allen Abschnitten des Produktlebenszyklus einsetzen:
- Die Definition neuer Flugzeugmodelle auf Basis bisheriger Nutzungsdaten und den daraus extrapolierten Prognosen über die weitere Entwicklung von Routen, Flugprofil und Auslastung. So wird für Nutzungsmodelle auf Basis großer Drehkreuze eine Mischung aus kleinen und großen Maschinen benötigt, während bei vielen Direktverbindungen mittelgroße Maschinen effizienter zu nutzen sind. Spezielle Flughäfen lassen sich mit angepassten Flugzeugtypen gezielter nutzen, beispielsweise London City, der eine sehr kurze Start- und Landebahn hat, den aber viele lukrative Geschäftskunden gerne anfliegen.
- In der Entwicklung und Konstruktion ist die Durchgängigkeit von Daten die Basis eines effizienten Prozesses. So spielt die Simulation eine sehr große Rolle in der Aerospace-Entwicklung – nicht nur im Bereich der Aerodynamik, sondern auch für die funktionale Verifizierung der vielen hochkomplexen Systeme oder auch zur Berechnung des zu erwartenden Kraftstoffverbrauchs.
- Ein großer Bereich der Flugzeugentwicklung ist die kontinuierliche Optimierung bestehender Baureihen. Weil die Investitionen und Risiken einer Neuentwicklung enorm sind, macht es oft mehr Sinn, eine bestehende Baureihe beispielsweise mit neuem Antrieb oder aerodynamischen Verbesserungen auszustatten, statt ein völlig neues Flugzeugbaumuster zu entwickeln. Simulation ist auch hier der Schlüssel zu einer effizienten Modernisierung.
- Ebenso wichtig ist die integrierte Entwicklung von Struktur (z.B. Rumpf und Flügel), Systemen (Ausrüstung und Funktionen inklusive Elektronik und Software) und Elektrik (Electrical Wiring Interconnect System - EWIS). Die Effizienz einer Maschine im Betrieb ist entscheidend davon abhängig, dass Gewicht, Zuladung, Triebwerke, Reichweite, Zuverlässigkeit, Betriebskosten, u.s.w. optimal ausgewogen sind und zu den Marktanforderungen passen.
- Im Betrieb ist die ständige Überwachung vieler Maschinenparameter die Grundlage für die Terminierung von Wartungsarbeiten. Oft kann es sich lohnen, einen Teil der Wartung vorsorglich durchzuführen, wenn z.B. Ersatzteile oder Wartungsressourcen gerade vor Ort verfügbar sind und genug Zeit für die Wartung vorhanden ist. Andererseits lassen sich die vorgeschriebenen festen Wartungsintervalle maximal ausnutzen, wenn man den genauen Zustand aller Komponenten kennt. Prozessautomatisierung im Service ermöglicht es, solche Fragestellungen beispielsweise mithilfe Künstlicher Intelligenz zu optimieren.
So werden Daten und 3D-Modelle zur Basis für Entwicklung, Konstruktion und Betrieb von Fluggeräten aller Art. Automatisierte Datenströme sorgen dafür, dass Informationen jederzeit an der richtigen Stelle landen und dort effizient genutzt werden können.
Modellbasiertes Arbeiten: Schneller zur Produktreife
Um die Anforderungen an moderne Flugzeuge erfüllen zu können, müssen schon bei der Entwicklung und Produktdefinition alle beteiligten Disziplinen integriert zusammenarbeiten. Müssen in späteren Prozessschritten Änderungen vorgenommen werden, beispielsweise, um in der mechanischen Konstruktion mehr Platz für Systeme zu schaffen, bedeutet dies hohe Zusatzkosten und Zeitverzug.
Ein modellbasiertes Vorgehen, bei dem alle Prozessbeteiligten basierend auf der Integration von Modellen arbeiten, ist dafür unabdingbar. Nur wenn jede Disziplin Informationen über die Entwicklungen der anderen Teams hat, kann das Endergebnis aus einem Guss sein. So wie im 3D-Digital Mockup (DMU) geometrische Modelle die Integration von Bauteilen ermöglichen, können Modelle von Subsystemen und Komponenten miteinander verbunden werden, um das Gesamtsystem zu bewerten, zu simulieren und zu optimieren. So ist in der Luftfahrt beispielsweise der Flugsimulator zur Ausbildung von Piloten ein Nebenprodukt der Systementwicklung zur Flugsteuerung.
Möglichkeiten zur Automatisierung des Datenflusses entlang des Prozesses
Jedes neue Flugzeug ist einzigartig, weil jede Fluggesellschaft eigene Farbschemata hat, die Kabine unterschiedlich bestückt wird oder andere kleine Abweichungen und Sonderwünsche festgeschrieben werden. Das Übertragen dieser umfangreichen Kundenspezifikationen in eine Lieferantenspezifikation ist einer der vielen Prozesse, die auch heute noch viel manuelle Arbeit erfordert. Prozessautomatisierung kann hier also Mehrwert bringen.
Auch das Wiederverwenden von Teillösungen, beispielsweise bestimmter Zweige des Kabelbaums, ist eine Möglichkeit, mit Hilfe informationstechnischer Prozesse effizienter zu werden, die Lead Time zu verkürzen, Fehler zu vermeiden und die Belastung der Mitarbeiter zu verringern.
Mehr als die Summe der Teile: Integration verschiedener Systeme
Modellbasiertes Engineering und Systems Engineering ermöglichen es, die Funktionen eines Systems beziehungsweise Produkts zunächst unabhängig davon zu entwickeln, wie die spätere Umsetzung aussieht – ob z.B. ein Aktuator hydraulisch oder elektrisch betrieben wird, ob er zentral gesteuert oder mit eigener Intelligenz per Datenbus mit Befehlen versorgt wird, ist bei der Entwicklung der Funktionsarchitektur zunächst unerheblich.
Im weiteren Verlauf des Prozesses wird die Umsetzung im Rahmen der Design Space Exploration endgültig entschieden - aber dann ist die Informationslage insgesamt weit besser als ganz zu Beginn und die Entscheidungen lassen sich auf fundierter Basis treffen.
In heutigen Zeiten, wo Fly-by-Wire Stand der Technik ist, ist die Verknüpfung von mechanischen und elektronischen Systemen plus Steuerungssoftware so weit fortgeschritten, dass es geradezu widersinnig ist, die Disziplinen getrennt voneinander zu betrachten. Die Entwicklungsumgebung muss diese Integration ermöglichen und datentechnisch so unterstützen, dass die Informationen überall und vor allem im richtigen Format vorliegen. Was also beim Hydraulikentwickler ein Ventilsymbol im Hydraulikplan ist, muss beim Mechanikkonstrukteur als 3D-Modell des Ventils zur Verfügung stehen und in der Simulation als parametrisches Komponentenmodell für das Hydraulikventil, um beispielsweise Druckabfälle und Geräuschentwicklung zu simulieren.
Softwaregestützte Datenanalyse: Maximierung der Wertschöpfung in der Luftfahrt
Datenanalyse kann helfen, viel Geld und Zeit zu sparen. Sp können Daten jedes Flugversuchs aufgezeichnet werden, um so später, wenn ein neuer Flugversuch eine bestimmte Flugsituation testen soll, nachsehen, ob diese Flugsituation schon einmal geflogen wurde. So spart man Testflüge und muss nicht auf die Daten warten, sondern kann historisch aufgezeichnete Testdaten sofort nutzen.
Die Digitalisierung basiert auf Daten. Diese Daten helfen dabei, Prozesse zu optimieren und echten Mehrwert zu erzeugen. Und am Ende hilft all das, dass ein attraktives und optimales Produkt entsteht.